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Pforzheimer Zeitung 28.02.2015 Seite 4 Kultur

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Der in Büchenbronn arbeitende Restaurator Peter Atzig mit einem Sekretär von Friedrich Gottlob Hoffmann. Foto: Ketterl

Pforzheimer Restaurator kuratiert Leipziger Schau über Friedrich Hoffmann

Pforzheim. Es ist ein Geschichtskrimi der besonders spannenden Art: Vor 15 Jahren erhält der Pforzheimer Restaurator Peter Atzig eine Kommode aus dem 18.Jahrhundert zum Aufarbeiten. Mit vermeintlich englischer Herkunft. Doch Atzig wird stutzig, erinnert sich an einen Reprint von 1982, in dem das Sächsische Hauptstaatsarchiv den Warenkatalog eines gewissen Friedrich Gottlob Hoffmann von 1795 wieder auflegt. Klar, Hoffmanns Zeitgenosse David Roentgen (1743– 1807) ist dem Restaurator bestens bekannt. Aber ein Hoftischler und Unternehmer, der per Katalog „vornehmste Tischlerarbeiten aus Leipzig“ anpries?

In den Konkurs getrieben

Der Pforzheimer macht sich auf die Suche, taucht immer tiefer in die spannende Vita Hoffmanns sein, von dem bislang weder der genaue Geburtsort, noch das Todesdatum bekannt sind. Und lernt nach Forschungsarbeiten in über 20 Museen und Depots, beim Stöbern in Zigtausehenden von Aktenseiten von Gerichts- und Innungsakten ein „Genie mit messerscharfen Kanten“ kennen. Herausragend begabter Kunsttischler, höchst einfallsreicher Unternehmer und schlitzohriger Geschäftsmann ist F. G. Hoffmann eine ganz außergewöhnliche Figur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. „Einer, der seine Konkurrenten schon mal bewusst in den Konkurs trieb, der andererseits aber auch so etwas wie der Vorläufer von IKEA war“, schildert der 57-Jährige, den viele als Fachmann der SWR-Fernsehserie „echt antik?!“ kennen. Doch fangen wir vorne an – mit den bis vor kurzem unbekannten Fakten: Friedrich Gottlob Hoffmann wird am 27. Juli 1741 auf dem sächsischen Rittergut Puschwitz bei Belgern geboren – als Sohn eines Lakais in Diensten derer von Dieskau. Im nahe gelegenen Ort absolviert er eine Tischlerlehre, muss sich aber, nachdem sein Lehrherr durch die Auswirkungen des Siebenjährigen Kriegs überraschend stirbt, eine neue Stelle suchen. 1768 zieht er nach Leipzig, ist zehn Jahre bei dem Tischlermeister Ludwig als Geselle beschäftigt. Danach legt er sich mit ihm und der Handwerkerinnung an, will endlich seinen Meisterbrief. Hoffmann zieht in die eigene Bleibe – und hat nur wenige Monate später eine Klage am Hals: Schwarzarbeit lautet der Vorwurf. Er soll in seiner Wohnung unerlaubterweise Stühle für den Verkauf hergestellt haben. Hoffmann schwört – einen Meineid. Denn nur einen Tag später wird ihm nachgewiesen, dass er einen Kindersarg für einen verstorbenen Sechsjährigen angefertigt hatte. Hoffmann wandert ins Gefängnis – allerdings nur für drei Tage. Und damit beginnt eine schier unendliche Serie von Klagen und Rechtsstreiten, von denen Peter Atzig allein 23 noch heute nachweisen kann.

Hauskauf via Strohmann

1770 wird der junge Tischler schließlich Bürger der Stadt Leipzig – mit allen Rechten und Pflichten. Was unter anderem bedeutet, er darf nicht mehr als vier Gesellen beschäftigen. Doch 1780 hat der umtriebige Hoffmann zehn, 1797 sind es sogar schon 42 Mitarbeiter. In Leipzig und in Eilenburg. Denn dort hat der findige Tischlermeister durch einen Strohmann ein Haus gekauft und produziert fleißig. Denn dank der Zusammenarbeit mit dem renommierten Leipziger Kunsthändler Carl Christian Heinrich Rost floriert das Geschäft. Und wenn Hoffmann zu Beginn noch Möbel ganz im Louis-XIV-Stil baute, dann merkt er schnell: Trendig ist anders. Die britischen Möbel des Klassizismus sind gefragt – beim Adel und dem aufstrebenden Bürgertum. Hoffmann hat eine geniale Idee: Statt wie sein berühmter Kollege Roentgen von Hof zu Hof zu reisen, holt er seine Kunden in den Showroom in Leipzig. „Über 50000 Besucher aus aller Herren Länder kamen dreimal im Jahr zur Messe hierher“, schildert Atzig. Und dann, im Jahr 1795, landet Hoffmann den Coup schlechthin: Er preist als Erster überhaupt seine „vornehmsten Tischlerarbeiten, welche verfertiget werden und zu haben sind bey Friedrich Gottlob Hoffmann“ in einem Katalog an. Stühle zwischen einem und fünf Taler teuer, Sekretäre zwischen 90 und 150 Talern. Je nach Ausstattung, je nach Holzart. Und Hoffmann liefert prompt: Die einzelnen Teile sind bereits vorgefertigt, müssen nur noch nach Kundenwunsch zusammengefügt, gut verpackt und zerlegt versendet werden. Eine Sache von wenigen Wochen. Kein Wunder: der clevere Geschäftsmann macht Karriere, wird Hoftischler bei Kurfürst August III., stattet ganze Landsitze, wie Schloss Crossen an der Elster, aus. Völlig überraschend verstirbt er 1806 mit nur 65 Jahren. Und gerät in Vergessenheit. Denn anders als Kollege Roentgen, für dessen signierte Sekretäre heute gut und gerne 200000 Euro hingeblättert werden, hat Hoffmann seine Stücke nie mit seinem Namen versehen. Umso mehr artet die Spurensuche von Peter Atzig, die er mit dem Münsteraner Antiquitätenhändler Michael Sulzbacher betreibt, in Detektivarbeit aus. Doch der Mühe Lohn ist derzeit im renommierten Leipziger Grassi-Museum erleben. Denn der Pforzheimer lernt bei einem Symposium Museumschefin Eva-Maria Hoyer kennen. Die ist begeistert und macht ihm das Angebot, eine Hoffmann-Ausstellung in dessen Heimatstadt zu kuratieren. Es folgen über zwei Jahre harte Arbeit. Schließlich haben Atzig und Sulzbacher 80 wunderbare Objekte zusammen, von denen sie sicher sind – alles echte Stück aus der Werkstatt Hoffmann mit ihren klaren Linienführung und der großartigen Wandelbarkeit. Noch bis 12. April sind sie zu sehen – und lehren nicht nur der Fachwelt das Staunen.

Autor: Sandra Pfäfflin